Mit Urteil vom 13. November 2025 hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C-563/24 über das Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Potsdam entschieden.
Der Gerichtshof widmete sich zuerst der Frage, ob Art. 10 Abs. 7 oder Art. 12 Abs. 1 der Verordnung 2019/787 dahingehend auszulegen sei, dass nach diesen Vorschriften die Aufmachung oder Kennzeichnung eines alkoholfreien Getränks als „alkoholfreier Gin“ nicht allein deswegen verboten ist, weil das Getränk den für die Bezeichnung als „Gin“ erforderlichen Mindestalkohol nicht erreicht und nicht durch das Aromatisieren von Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs (sondern: Wasser) mit Wacholderbeeren hergestellt worden ist. Der EuGH findet hierauf eine klare Antwort und hebt hervor, dass der Wortlaut von Art. 10 Abs. 7 eindeutig regele, dass es verboten sei, ein Getränk als „alkoholfreier Gin“ zu kennzeichnen, wenn das Getränk keinen Alkohol enthalte. Ferner sei es – so der EuGH – nach Art. 10 Abs. 7 unerheblich, dass die rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung „Gin“ mit dem Zusatz „alkoholfrei“ versehen sei. Nach eindeutiger Wertung des EuGH gelte das Verbot auch für Begriffe, die verwendet werden, um die Verwechslung eines bestimmten Getränks mit der Spirituose, die diese Bezeichnung trägt, zu vermeiden. Mit anderen Worten: Der EuGH bestätigt hier, dass die in Anhang I geschützten Spirituosenkategorien absolut, d.h. irreführungsunabhängig, geschützt sind.
Auf die weitere Frage, ob Art. 10 Abs. 7 der Verordnung 2019/787 mit Art. 16 der Grundrechtecharta und der darin niedergelegten unternehmerischen Freiheit vereinbar ist, findet der EuGH ebenfalls eine klare Antwort. Zunächst stellt der Gerichtshof fest, dass die freie Ausübung nicht absolut gewährleistet werde, sondern stets im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion stehe. Sinn und Zweck der Regelungen der Spirituosen-Grundverordnung sei, den traditionellen Charakter der in Anhang I geschützten Spirituosenkategorien zu schützen und gegenüber den Verbrauchern im Sinne eines Verbraucherschutzes zu „garantieren“, dass alle diese in Anhang I benannten Erzeugnisse denselben Qualitätsstandards genügen.
In dieser sowohl dem Erzeuger als auch dem Verbraucherschutz dienenden Zielsetzung liege – so der Bundesgerichtshof – kein Verstoß gegen die Grundrechtecharta, weshalb gegen das in Art. 10 Abs. 7 geregelte Verbot keine Bedenken bestünden.
Diese Entscheidung des EuGH gibt wichtigen Aufschluss darüber, wie künftig die Vorgaben der Spirituosen-Grundverordnung zu verstehen sein werden. Der Bundesgerichtshof legt fest, dass der Schutz der in Anhang I geregelten Spirituosenkategorien absolut erfolgt. Auf die Frage einer Irreführung kommt es gerade nicht an. Die jüngst beispielsweise vom Landgericht Kiel entwickelte Auffassung, dass zwischen einer anlehnenden und einer abgrenzenden Anspielung zu differenzieren sei, wobei die abgrenzende Anspielung – wie etwa „Likör ohne Ei“ – nicht gegen das in der Spirituosen-Grundverordnung geregelte Verbot verstoßen solle, wird unter den Vorgaben des EuGH nur schwer haltbar sein.
Ebenso dürfte das klare Urteil des EuGH von entscheidendem Einfluss für das vom Schutzverband der Spirituosen-Industrie e.V. vor dem Oberlandesgericht Hamburg fortgeführte Verfahren „UNDONE“ sein.
Über die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich wird der Schutzverband der Spirituosen-Industrie e.V. selbstverständlich an dieser Stelle berichten.