Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bezüglich dem Verhältnis des Irreführungs­verbotes nach Art. 7 LMIV und Art. 6 UGP-RL

15.08.2025

Ein italienisches Gericht hat dem EuGH Fragen zum Verhältnis der beiden Irreführungs­verbote in Art. 7 LMIV und Art. 6 UGP-Richtlinie (2005/29/EG) vorgelegt (Rs. C-301/25).

Zum Hintergrund:

Lidl Italien vertrieb Nudeln, auf deren Packung auffällige Marken oder geschützte geografische Angaben, die auf einen italienischen Ursprung hinwiesen (Bilder, Flaggen, „Passione Italia“, „hergestellt in Italien“) zu sehen waren. Rückseitig stand auf dem jeweiligen Produkt „Anbauland des Weizens: EU und Nicht-EU“. Diese Auslobung befand die für die UGP-Richtlinie zuständige Marktaufsichtsbehörde als irreführend. Die Angaben seien zwar nicht objektiv falsch, allerdings erwarte der Verbraucher Weizen aus Italien. Eine etwaige Aufklärung sei nur schwer lesbar und daher unzureichend. Infolge dieser Einschätzung wurde von der italienischen Behörde eine Verwaltungsbuße gegenüber Lidl Italien verhängt. Lidl Italien hingegen verteidigte sich mit dem Einwand, dass die Herkunft des Weizens für den Verbraucher unerheblich sei und bei Marken und g.g.A. die Herkunftsangabe der Primärzutat nicht zwingend vorgeschrieben sei.

Die Produkte seien demnach nicht irreführend gekennzeichnet und ohnehin gingen die Irre­führungsvorschriften der LMIV den hier von der Behörde bemühten Irreführungsvorschriften der UGP-Richtlinie vor.

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die Irreführungsnormen der LMIV und der UGP-Richtlinie nebeneinander anwendbar sind. Problematisch ist allerdings, dass in Italien für die Ahndung verschiedene Strafrahmen und Zuständigkeiten vorgesehen sind. Ein Verstoß gegen die LMIV wird beispielsweise geringer bestraft.

Im Einzelnen muss sich der Europäische Gerichtshof mit folgenden Fragen befassen:

1.
Handelt es sich bei den in Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) angeführten Verhaltensweisen um Sonderfälle, der jedenfalls unter Art. 6 ff. der Richtlinie 2005/29/EG (UGP-RL) fallenden unlauteren Geschäftspraktiken, die als solche auch Art. 11 ff. der UGP-RL und den Umsetzungsvorschriften unterliegen, oder stellen sie vielmehr ein gesondertes System dar, für dessen Anwendung, d.h. für dessen Durchführung, nicht auf die Richtlinie, sondern im italienischen Fall allein auf das Decreto Legislativo Nr. 231/2017 Bezug genommen werden kann?

2.
Regeln die in Art. 7 LMIV angeführten Verhaltensweisen abschließend den Verbraucherschutz beim Kauf von Lebensmitteln, so dass die Möglichkeit der Anwendung des allgemeinen Schutzes nach der UGP-RL ausgeschlossen ist, oder tragen sie vielmehr zusammen mit den Bestimmungen der UGP-RL und den nationalen Rechtsvorschriften zu deren Umsetzung zum Verbraucherschutz bei?

3.
Wenn die in Art. 7 LMIV angeführten Verhaltensweisen als unlautere Geschäfts­praktiken einzustufen sind und der UGP-RL unterliegen, ist dann die in Art. 3 des Decreto Legislativo Nr. 231/2017 vorgesehene Sanktion geeignet, die abschreckende Wirkung in Bezug auf unerlaubte Verhaltensweisen zu gewährleisten und den Verbraucherschutz nach Art. 169 AEUV sicherzustellen, und ist sie jedenfalls mit Art. 13 der UGP-RL vereinbar?